Städtebau und Arealentwurf
Markus Hotz im Gespräch mit Harald Klein
In der weitgehend und dicht bebauten Stadt Zug gibt es noch immer Gebiete, die durch entsprechende planerische Eingriffe aufgewertet werden können. Wesentlich ist dabei nicht nur die Zusammenfassung grösserer Areale zu einer Gesamtvision, sondern auch die Rücksicht auf die gewachsenen Strukturen, an denen sich die Geschichte und Identität der Stadt ablesen lassen.
Markus Hotz: Harald Klein, Sie befassen sich als Stadtplaner mit Bebauungsplänen, Quartiergestaltungen und Gebietsentwicklungen. Gibt es in der doch recht dicht bebauten Stadt Zug überhaupt noch Freiräume, die Sie gestalten, wo Sie städtebauliche Entscheide treffen können?
Harald Klein: Es gibt diese Räume tatsächlich. Ich würde sogar sagen, es gibt noch relativ viele Gebiete in dieser Stadt, die aufgewertet und verbessert werden können. Dank der angedachten Verdichtung gibt es auch wirtschaftliche Anreize, diese Aufwertungsmassnahmen umzusetzen. Verdichtung jedoch ist aufwendig und komplex. Es ist anders, als auf einer grünen Wiese zu planen: Viele Grundeigentümern sind involviert; es braucht mehr Zeit und Nerven.
«Die Raumplanung hat sich in den vergangenen zehn Jahren stark gewandelt.»
Markus Hotz: Wir sprechen von Stadtentwicklung und Veränderungen. Wie wichtig ist das bestehende Stadtbild und dass man darauf Rücksicht nimmt, es bewahrt?
Harald Klein: Das Stadtbild ist Teil unserer Identität, wir orientieren uns an gewachsenen Strukturen. Sie sind Teil unserer Geschichte. An ihnen können wir die Entwicklung ablesen, die das Gefüge dieser Stadt durchlebt hat. Wenn wir auf die vergangenen dreissig Jahre zurückblicken, so wurde tendenziell zu viel ersetzt in der Stadt Zug. Die Stadt des 19. Jahrhunderts wurde fast ausradiert. Erhalten wurde die Stadt des Mittelalters, die Altstadt, nördlich davon trifft man auf die Stadt ab Mitte des 20. Jahrhunderts. Wir, die hier aufgewachsen sind, wissen, wie sich die Stadt entwickelt hat, doch ein Aussenstehender kann die Situation siedlungshistorisch nicht lesen. Andererseits wurde die Stadt durch diesen Umbau kompakt gehalten, indem man kontinuierlich verdichtet hat. Die Metalli beispielsweise würde man heute wohl sehrähnlich bauen, aber man würde das prägnante Backsteingebäude an der Baarerstrasse erhalten und in die Gesamtüberbauung integrieren.
Markus Hotz: Nun gibt es bei der Städteplanung nicht nur Vorstellungen, sondern auch Vorschriften. Wie gehen Sie damit um? Sind Bauvorschriften und Zonenpläne nicht ein zu enges Korsett?
Harald Klein: Man muss differenzieren. Die Raumplanung hat sich in den vergangenen zehn Jahren stark gewandelt. In den Gebieten mit geringer Entwicklung wie in den Aussenquartieren am Hang, aber auch in der Riedmatt oder der Gartenstadt, bleiben der zweidimensionale Zonenplan und die Bauordnung die bestimmenden gesetzlichen Vorgaben. Die Baugesetzgebung schreibt hier vor, wie ein Haus zu bauen bzw. zu dimensionieren ist. Da gibt es nicht viele Möglichkeiten. Im Zentrumsgebiet und in den Verdichtungsgebieten hingegen bewegt man sich weg von der zweidimensionalen Planung. Hier arbeiten wir dreidimensional entwickeln mittels Testplanungen Projekte und gestalten danach den rechtlichen Rahmen in Form von Bebauungsplänen. Natürlich orientiert man sich dabei an den baurechtlichen Vorgaben. Aus einer Industriezone wird nicht ein Wohnquartier, aber man befreit sich von allzu engen und detaillierten Vorgaben.
Markus Hotz: Gibt es dafür in Zug Beispiele, städtebauliche Entwürfe, die für Sie überzeugend sind?
Harald Klein: Es sind vor allem Projekte, die am Entstehen sind und vorerst nur auf dem Papier bestehen. Etwa die Äussere Lorzenallmend, ein Gewerbe-gebiet, wie wir es schweizweit antreffen. Hier versuchen wir, einen städtebaulichen Ansatz konsequent umzusetzen, indem wir einen Strassenraum schaffen, an den die Gebäu-de mit Arkaden anschliessen müssen. In der Tiefe der Parzellen können sich die Häuser freier entwickeln: da mit einer Gewerbehalle, dort mit einer Wohnnutzung. Oder das Gebiet Lüssi/Göbli, wo ein heterogenes Quartier weiter-gebaut wird, indem die unterschiedlichen Siedlungstypo-lo gien aufgenommen und differenziert weiterentwickelt werden. An der Baarerstrasse mit dem Hochhaus von Philipp Brühwiler werden zwei Siedlungen zusammengebunden und die trennenden Elemente durch die Gestaltung des Aussen-raums aufgehoben. Darin einbezogen wird in einer späteren Phase auch das denkmalgeschützte Gebäude der Unter-mühle. Im Lauried wird eine klassische sechsgeschossige Blockrandbebauung realisiert, unprätentiös und klassisch, aber mit einer hohen Verdichtung und mit Wohnungen, die auf den begrünten Innenhof hin ausgerichtet sind.
Markus Hotz: Als Büro konnten wir ja auf dem Siemens-Areal schon einiges realisieren – und wir sind uns bewusst, dass das auch nicht immer unter dem Gesichtspunkt einer über-geordneten Planung geschah, einfach auch, weil das Gelände partiell und stückweise verkauft wurde, und erst jetzt, bei den letzten Stücken gibt es umfassendere Überlegungen.
Harald Klein: Ja, man hätte das gesamte Areal Siemens bereits früher vertieft städtebaulich prüfen müssen bzw. den Masterplan, der vor 20 Jahren erstellt wurde, kon-sequent weiterverfolgen und in eine rechtliche Form über führen. Noch in diesem Jahr werden wir eine städte-bauliche Testplanung durchführen, deren Ziel es ist, das heutige Patchwork zu einem Ganzen zusammenzufügen. Dabei sind auch die zukünftige Nutzung und die Er-schliessung dieser einstmals abgeschlossenen und ver-botenen Landis & Gyr-Stadt zu berücksichtigen. Die Zugänglichkeit bzw. die Verknüpfung mit der übrigen Stadt ist nach wie vor nicht gelöst, weder über die Gleise hinweg noch nach Westen hin.